Projekt // Mostar Triathlon - Performative Planung im Kontext von Postkonfliktsituationen
Leistung // Städtebauliches Konzept und Design Studie - Postproduktion des Bauhaus Kolleg UN Urbanism
Größe // 150.000 qm
Bauherr // Stiftung Bauhaus Dessau
Experten // Veselin Gatalo und Nino Raspudic, „Urban Movement Mostar“
Ort // Mostar, Bosnien Herzegovina
Status // n.n.
Jahr // 2006



Mostar ist entgegen den Zielsetzungen der internationalen Gemeinschaft in zwei Hälften gespalten: auf der einen Seite die Bosniaken (Moslems) und auf der anderen die bosnischen Kroaten (Katholiken). Wie sollte man mit dieser Situation unter dem Aspekt der Stadtentwicklung umgehen? Die Absurdität sogenannter ethnischer Konflikte und die Folgen dieser mörderischen Identitätsstiftung, wie sie sich in Mostar räumlich manifestierte, waren als Status quo nicht zu akzeptieren. Es galt, ein Konzept für ein Raumprogramm zu entwickeln, das neutral, also nicht von der Historie belastet war.

Für die Analyse des Stadtraums war es wichtig, die unbesetzten Räume zu identifizieren – hauptsächlich Brachflächen und Grünräume. In der Diskussion mit Veselin Gatalo und Husein Oru?evi? kristallisierte sich das Konzept einer jährlich stattfindenden Sportveranstaltung, des „Mostar Triathlon“, als eine realistische Strategie heraus, um die räumliche Teilung zu überwinden. Die Besonderheit des Konzepts gründete in der Topografie Mostars und der Möglichkeit, diese naturräumliche Beschaffenheit (und ihre wenig genutzten Qualitäten) auszunutzen. Der „Mostar Triathlon“ hat deshalb auch andere Sportarten einbezogen: Nach dem Start am östlichen Ende Mostars, an der unsichtbaren Grenze zwischen den Konfliktparteien, würden die Teilnehmer zunächst den Berghang auf der bosnisch-kroatischen Seite hinaufklettern müssen – in Richtung des unübersehbaren, nach Kriegsende auf dem Gipfel errichteten Kreuzes, das die katholische Seite markiert. Vor dem Gipfel würden die Triathleten dann Richtung Stadt abschwenken, um anschließend durch eine Sequenz von ineinander übergehenden Brach- und Freiflächen halbkreisförmig durch die bosnisch-kroatische Stadthälfte zu laufen. Der Laufweg würde dann auf der bosniakischen Seite, am Rand der Neretva enden, wo die Teilnehmer anschließend mit dem Boot stromabwärts zum Ziel, der „Stari Most“, rudern.

In der Planung wurde eine Matrix entwickelt, die eine Übersicht über verschiedene Akteure bot, mögliche Aktivierungsstrategien aufzeigte und diese mit einem Zeitplan verknüpfte. Damit hatte man nicht nur eine Übersicht über die räumlichen Potenziale erstellt, sondern auch sozialräumliche Strategien der Aneignung konzeptionalisiert. Dies bot die Möglichkeit, flexibel auf Veränderungen im räumlichen Gefüge zu reagieren, die das Programm eben nicht antizipieren konnte bzw. wollte.
Wesentlich für ein derartiges Konzept, das auf performative Planungsformen setzt, ist neben der Trägerschaft durch lokale Akteure auch die Gewährleistung der Nachhaltigkeit. Das bedeutet, dass sich dauerhaft eine räumliche Praxis etabliert, die sich wiederum durch flankierende Maßnahmen im Raum materialisiert und zu dessen Umkodierung beiträgt. Hier kam ein entsprechendes Raumprogramm zum Zuge: Bestimmte räumliche Elemente, die zur Durchführung eines Sportereignisses notwendig sind (Tribünen, Absperrungen, Wegesicherungen, Sanitäranlagen usw.), verfestigen sich mit der jährlichen Wiederholung und erlauben die durch das Sportevent vorgeprägte Nutzung auch weiterhin. So wird ein neuer, anderer Raum geschaffen, der, von der Vergangenheit unbelastet, allen Bewohnern offensteht.

 

Team: Wilfried Hackenbroich und Kai Vöckler mit Miodrag Kuc und Demet Mutman